Abend voller Überraschungen
Winfried Fechner, der neue Mann vorm Silcher-Chor. Foto: t&w | Autor: aat Vögelsen
Etwas Besonderes wollte der Silcher-Chor bei seinem ersten großen Auftritt unter seinem neuen Leiter Winfried Fechner bieten: Er kam nicht allein, sondern lud zwei Männerchöre ein, die unterschiedliche Musikstile und Singweisen boten. Der Silcher-Chor selbst zeigte neue Facetten: Im voll besetzten Kulturforum warteten die Lüneburger mit einem überraschenden und temperamentvollen Programm auf, das neben Musik aus der Renaissance und Romantischem aus der großen Zeit des Männer-Chorgesangs auch zeitgenössische Popsongs, Humoristisches und Zeitgenössisches umfasste.
Mit Enthusiasmus moderierte Winfried Fechner das Programm und lud das Publikum sogar zum Mitmachen ein. Die Pavane „Belle qui tiens ma vie“ von Thoinot Arbeau (1519-1595) erklang aus dem Eingangsbereich der Scheune. Dann kamen die Silcher-Choristen auf die Bühne, stimmten „Untreue“ an, bekannt als „In einem kühlen Grunde“, eines der Lieder ihres Namensgebers Friedrich Silcher. Die feine, stimmungsvolle Interpretation knüpfte an die traditionelle dynamische Interpretationsweise von Fechners Vorgänger Egon Kretzer an, der den Chor bis vor einem halben Jahr geprägt hat.
Zuvor hatte der Silcher-Chor bereits mit einem Werk überrascht, das Freunde Fechners komponiert und arrangiert haben, die Japaner Kaoru Wada und Katsura Shimizu. Sie haben das melodisch-atmosphärische Finale aus einem japanischen Musical eigens dem Silcher-Chor übereignet, der dieses musikalische Landschafts- und Seelenbild sicher und sehr eingängig auslegte – auf Japanisch! Am Piano begleitete Mira Teofilova diesen Hoffnungsgesang mit viel Feingefühl. Ganz anders, nämlich verschmitzt und lustig, der gelungene Wise-Guys-Hit „Probier’s mal mit ’nem Bass“ (Solo: Ulli Hess).
A cappella offerierten die elf Mitglieder der Singsation aus Bremen ihre Songs („Heart of my Heart“, „Under the Boardwalk“ u.a.). Sie bezeichnen sich als Barbershop-Chor und frönen jener vierstimmig-harmonischen Musik, wie sie im Süden der USA in Frisör-Salons den Radiosendungen nachgesungen wurde, um sich das Warten auf den Haarschnitt zu vertreiben. Auffallend sind eine hohe Stimme und gesummte Stimmen. Chorleiter Washington de Oliveira dirigierte mit Temperament und Rhythmus, brachte die Sänger zum Swingen und ließ auch das schwierige „Crazy Little Thing“ von Freddie Mercury mit Schwung vortragen.
Den MGV Selsingen e.V. von 1877 gab es bereits 70 Jahre, als der Silcher-Chor seinen 25. Geburtstag feierte. Er pflegt die Tradition des deutschsprachigen Singens und ließ u.a. „Aus der Traube in die Tonne“ und „Babylon“ erklingen. Chorleiter Piet Zorn aus dem Odenwald ließ das Schunkellied „Die schöne Odenwälderin“ nicht fehlen, eher er seine Sänger mit dem Silcher-Chor Leonard Cohens „Hallelujah“ anstimmen ließ: Rund 70 Männerstimmen schwelgten in großem Sound mit „Mich trägt mein Traum“ (Abba), „Ciao d’Amore“ und „Sierra Madre“.
Schuberts Nachtlied sang der Silcher-Chor allein, in wunderbarem Pianissimo. Bevor er sich mit „Der Mond ist aufgegangen“ und einem witzigen Tango („Das ist der Zauber der spanischen Nächte“) verabschiedete, ließ Fechner das Publikum mit Butterbrotpapier rascheln: Solche Regengeräusche gehörten zu „Secret of Mana“ („Fear of the Heaven“) von Hiroki Kikuta, arrangiert von Jonne Valtonen. Fechner hatte dieses effektvolle Stück Programmmusik geschenkt bekommen, um es mit dem Silcher-Chor erstmals aufzuführen. Das Publikum war begeistert.
Beitrag aus der LZonline
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!