Eine gute Zeit für tiefe Töne: Silcher-Chor feiert Jubiläum
Winfried Fechner leitete noch einmal den Silcher-Chor, es war sein letzter Einsatz als Dirgent. Foto: t&w | Autor: Frank Füllgrabe
Lüneburg. Seinen 65. Geburtstag sollte der Mensch mit besonderer Würde feiern, oder es ganz lassen. Immerhin geht es um den offiziellen Eintritt ins Rentenalter, um einen neuen Lebensabschnitt, auch wenn es da heute viele andere Regelungen gibt. Der Lüneburger Silcher-Chor hat sich für die noble Variante entschieden, Gäste eingeladen und ein schönes Ambiente gefunden: Im Gemeindezentrum der Freien evangelischen Gemeinde Lüneburg gratulierten natürlich mit Gesang der Frauenchor L`Ohreley und der Rockpop-Chor LoChorMotion, dazu füllten rund 300 Zuhörer den Saal.
Einige Verblüffung zu Beginn: Richard Wagners „Pilgerchor“ aus dem „Tannhäuser“ sang das Ensemble in der Eingangshalle, also gewissermaßen aus dem Off, ein schöner Effekt. Als „feste Größe“ im Konzertbetrieb und als „musikalischen Botschafter der Stadt Lüneburg“ würdigte Bürgermeister Eduard Kolle das Ensemble, nachdem die rund drei Dutzend Sänger dann doch noch auf die Bühne gestiegen waren.
Das Meer singt das Wiegenlied der Robbe
Ihren Eintritt ins Rentenalter haben die rund drei Dutzend Sänger übrigens längst hinter sich „unser Durchschnittsalter liegt bei etwa 73 oder 74 Jahren“, so Vereins-Vorsitzender Dr. Franz Peter Schmitz. Naturgemäß sind Heldentenor und strahlende Höhen nicht mehr die Stärke des Ensembles, dafür gelingen ihm in den weichen, tieferen Passagen echte Gänsehaut-Momente. Erfahrung und Reife sind eben durch nichts zu ersetzen.
Dirigent Winfried Fechner, auch so ein alter Hase, der einst in Lüneburg den Bach-Chor gründete, und vor einigen Jahren die Chorleitung von Heinz-Egon Kretzer übernahm, legte denn auch die Betonung auf die besonderen Talente des Chores. Dazu gehört etwa „Der Robbe Wiegenlied“, in dem das rauschende Meer, der Wind und die Wellen die eindrucksvolle Kulisse bieten, oder in dem Klassiker „Dat du min Leevsten büst“ kein abgenudelter Standard, sondern hier gesungen in neuem Arrangement. Es gibt immer wieder vereinzelte Initiativen, die etwas altmodische Institution Männergesangverein zu erneuern, mit frischen Noten, oder eben mit modernen Melodie- und Stimmführungen.
Auf Seminaren haben die Silcher-Sänger auch schon mal „Die Prinzen“ und Leonard Cohen ausprobiert, bei ihrem Geburtstagskonzert blieben sie über weite Strecken im romantischen Fach und bei der Theatermusik. Aber da waren ja auch noch ihre Gäste, der Frauenchor „L`Ohreley unter der Leitung von Karin Malangré beispielsweise, der sein namengebendes Lied von Heine/Silcher um eine zeitgenössische vierte Strophe aufpeppte, mit „Schuld war nur der Bossa Nova“ und „Bei mir bist Du schön“ für ein wenig augenzwinkernden Retro-Charme sorgte. LoChorMotion wiederum brachte unter der Leitung von Nicole Lohmann mit dem Sprachfehler-Song „Fpaniff“ die Kollegen von Maybebop ins Spiel, und mit Reinhard Fendrichs „Tango korrupti“ die Steuerfahndung.
Winfried Fechner macht Platz für Ann-Kathrin Fiedler
Es war das Abschiedkonzert von Winfried Fechner, der als Sänger in die Reihen des Chores tritt. Eine Nachfolgerin ist gefunden: Ann-Kathrin Fiedler, die Erfahrung mit der Leitung von Männerchören hat, dirigiert nun die Proben. Sie wird sich am Sonnabend, 17. Dezember, in der Paulus-Kirche mit einem Weihnachtskonzert des Silcher-Chores und wiederum mit einigen Gästen vorstellen.
Das Finale gehörte, wie es bei Sängerfesten ein schöner Brauch ist, allen Sänger(inne)n mit dem berühmten Gefangenenchor, dem „Chor der hebräischen Sklaven“ aus Verdis Oper „Nabucco“. Damit hat der Silcher-Chor eine gelungene, vielbeklatschte Geburtstagsrentenfeier absolviert, ein Schlager von Udo Jürgens könnte nun als Steilvorlage das Motto vorgeben: „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an!“
Beitrag aus der LZonline
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